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Das Wort zum Montag vom 21.3.2016

In der ganzen Deutschschweiz hängen zur Zeit "Jesus ist..."-Plakate, die die Bevölkerung dazu einladen, ihre Meinung über Ihn kund zu tun.

Wer die Texte auf den Plakaten liest und dabei nicht zumindest ein kleines bisschen Mitleid mit Gott hat, muss schon ein abgehärteter Mensch sein. 

Gott, der himmlische Vater,  scheint in unserem Land immer mehr zum Grossvater zu werden -  zum Typ Grossvater, der einsam in seiner Alterswohnung sitzt und immer weniger Besuch erhält. Zum Typ Grossvater, der in unserem Leben und in unserem Alltag keinen Platz hat und an den wir höchstens denken, wenn wir etwas Bestimmtes brauchen und Er uns bei diesem Anliegen unterstützen könnte.


Ich gehöre zur immer kleiner werdenden Gruppe der Menschen, die diesen geliebten Opa noch jeden Sonntag besucht. Ja, die Einrichtung Seiner Alterswohnung ist altmodisch. Ja, es ist oft ruhig dort, sehr ruhig, denn Er hat nicht die Angewohnheit, einfach drauf los zu plaudern - dadurch ist es neben dem regelmässigen feierlichen Schlag Seiner grossen, uralten Uhr oft vor allem mein eigener Herzschlag, den ich zu Beginn meines Besuches höre und spüre. Wenn ich aber mit Ihm zu sprechen beginne, hört Er zu und antwortet mir mit liebevollen, ermutigenden oder tröstenden Worten.

Ich kann nachvollziehen, dass manche Menschen solche Besuche langweilig finden. Selbst langweile ich mich nie, wenn ich Ihn besuche. In unserer lauten, unruhigen Welt sind die Besuche in Seinem Haus eine Wohltat für mich und mein Leben. Seine Weisheit beeindruckt mich immer wieder und die Besuche sorgen dafür, dass ich gestärkt oder ab und zu auch ermahnt werde.

Wenn Opa Geburtstag hat, füllt sich sein Zuhause mit Kindern, Enkelkindern und Bekannten. An diesem Tag ist es schwierig, in der Nähe seines Hauses einen Parkplatz zu finden, während dort an allen anderen Tagen gähnende Leere herrscht.

Natürlich schmerzt es mich wenn ich sehe, dass unser Land nicht länger eine christliche Nation ist und dass sich unsere Kirchen nur noch dann füllen, wenn dort ein Gospelkonzert oder eine Diplomfeier stattfindet. Aber Mitleid mit Gott habe ich nicht. Ich mache mir auch keine Sorgen darüber, ob das Christentum überlebensfähig ist oder nicht. Das Christentum ist- das hat die Geschichte immer wieder gezeigt - fitter und kräftiger als man denkt und anderswo auf der Welt blüht und grünt es wie eine Blumenwiese im Frühling.

Vielmehr habe ich Mitleid mit unserem Land. Wer nicht an Gott glaubt - auch DAS lehrt uns die Geschichte - glaubt stattdessen dass etwas Anderes Glück und Heil bringt; Gurus, Popstars, Geld, Macht, Mode, Wissenschaft, Essgewohnheiten, Sport - oft auch ein selbst zubereiteter Eintopf, der aus einer undefinierbaren Mischung all dieser Sachen besteht.

Weinen wir also nicht um den Grossvater, der in Seinem Lehnstuhl am Fenster auf Besuch wartet. Denn Er ist geduldig, Er erträgt sogar Vernachlässigung und Hohn. 

Und wenn uns Belastung, Anspannung, Strapazen und Unruhe unseres Alltags zuviel werden und wir Ihn wieder einmal besuchen wollen, wird Er uns mit einem liebenswürdigen, milden Lächeln willkommen heissen. Jederzeit.

 

 

Ellen Tedaldi