News

Für verhältnismässige Ausschaffungen

Die EVP will die Ausschaffungsinitiative so umsetzen, dass fundamentale Verfassungsgrundsätze und Menschenrechtsgarantien eingehalten werden. Die genau gleichen Kreise, welche bei der Zweitwohnungsinitiative auf eine laxe Umsetzung drängen und entsprechende Vorstösse eingereicht haben, beharren bei der Ausschaffungsinitiative auf einer wortwörtlichen Umsetzung. Das Volk hat offenbar vor allem dann recht, wenn es die eigene Meinung teilt.

Eine Arbeitsgruppe des Bundes hat zwei Vorschläge zur Umsetzung der vom Volk angenommenen Ausschaffungsinitiative geprüft und in Vernehmlassung gegeben. Die EVP favorisiert klar die Variante 1, welche sowohl der Initiative wie auch den bestehenden Verfassungsgrundsätzen und Menschenrechtsgarantien so weit wie möglich Rechnung trägt. Im Vergleich zum geltenden Aus- und Wegweisungsregime sieht sie eine deutlich strengere Praxis bei der Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer vor. In der Regel wird jedoch eine Mindeststrafe von 6 Monaten vorausgesetzt, um das Verhältnismässigkeitsprinzip zu wahren. Zweitens müssen die Gerichte bei allen Ausweisungsentscheiden eine Einzelfallprüfung vornehmen. Schliesslich kann die Wegweisung in der Vollzugsphase vorübergehend aufgeschoben werden, wenn es das zwingende Völkerrecht (Non-Refoulement-Gebot) oder die rein praktische Unmöglichkeit (beispielsweise aufgrund fehlender Papiere) gebieten.

 

Die EVP ist der Ansicht, dass eine von Volk und Ständen angenommene Verfassungsänderung zwar möglichst exakt umzusetzen ist. Den Grundgedanken einer angenommenen Initiative ist zwingend Rechnung zu tragen. Ohne einen gewissen Spielraum geht es aber nicht. Die Behörden müssen dafür sorgen können, dass nicht andere – ebenfalls von Volksmehrheiten gutgeheissene – Verfassungsbestimmungen zu kurz kommen. Werden Verfassung und Rechtsstaat missachtet, verkommt die Demokratie zu einem Puzzle von Mehrheitsentscheidungen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit staatlicher Massnahmen durchzieht als Leitgedanke die gesamte Verfassungs- und Rechtsordnung . Er ist durch die Bundesverfassung ausdrücklich in Art. 5 Abs. 2 als „Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns“ und in Art. 36 Abs. 3 als eine der Voraussetzungen der „Einschränkung von Grundrechten“ gewährleistet. Es ist aus Sicht der EVP nicht zulässung, bei der Ausschaffung von kriminellen Ausländern von diesem Grundsatz abzuweichen.

 

Die SVP hat alles erreicht mit ihrer Ausländerpolitik der letzten Jahre. Asyl- und Ausländerrecht sind auf ihr Betreiben bereits deutlich verschärft worden und werden mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative nochmals restriktiver. Bevor das Vernehmlassungsverfahren zur Ausschaffungsinitiative abgelaufen ist oder das Parlament zur Vorlage Stellung nehmen konnte, lanciert die SVP eine Folgeinitiative, mit der sie ihre Vorstellungen durchsetzen will. Das ist pure Zwängerei und einer Demokratie unwürdig. Die exakt identischen Kreise, welche bei der Zweitwohnungsinitiative auf eine laxe Umsetzung drängen und entsprechende Vorstösse eingereicht haben, beharren im Fall der Ausschaffungsinitiative auf einer wortwörtlichen Umsetzung. Das Volk hat offensichtlich vor allem dann recht, wenn es die eigene Meinung teilt. Mit diesem konsensunfähigen Verhalten ist die EVP nicht einverstanden.

 

Bern, den 14. September 2012/nh