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Ständerat hebelt Verbandsbeschwerderecht aus

Der Ständerat hat gestern und heute auf Grund eines Vorstosses von Ständerat Hans Hofmann (SVP, ZH) die rechtskonforme Durchsetzung des Umweltrechts geschwächt. Die Evangelische Volkspartei der Schweiz (EVP) ist darob in hohem Masse irritiert und enttäuscht.

Offenbar haben in der sonst so besonnenen „chambre de réfléxion" die Emotionen, die nun während Jahren gegen das Verbandsbeschwerderecht systematisch und gezielt geschürt worden sind, dem Ständerat die Wahrnehmung der tatsächlichen Fakten und den kühlen Verstand vernebelt.

 

Wie sonst wäre es zu erklären, dass die bürgerliche Mehrheit im Ständerat offenbar völlig übersieht, dass das Verbandsbeschwerderecht ein äusserst kostengünstiges und auch effizientes Instrument zur Durchsetzung des Umweltrechts ist? Des Umweltrechts übrigens, welches seinerzeit unter massgeblicher Beteiligung von CVP und FDP geschaffen worden ist. Wie sonst hätte die Ständeratsmehrheit vergessen können, dass die Probleme um das Verbandsbeschwerderecht, von einigen wenigen ganz singulären Fällen abgesehen, nicht in der Handhabung durch die beschwerdeberechtigten Organisationen liegen, sondern in anderen Gründen: bei unkorrekter Rechtsanwendung durch die Bewilligungsbehörden, bei viel zu langen Verfahrensdauern der zuständigen Behörden, Beschwerdeinstanzen und Gerichte, aber auch bei der mangelhaften Koordination im Raumplanungsrecht und zwischen diesem und dem Umweltrecht.

 

Und wie sonst hätte die Ständeratsmehrheit ausblenden können, dass die von den Umweltorganisationen eingereichten Beschwerden in über zwei Dritteln aller Fälle von den Gerichten als berechtigt erkannt worden sind und dazu gedient haben, rechtsmässige Zustände durchzusetzen. Während demgegenüber die grosse Flut baurechtlicher Einsprachen und Rekurse nur gerade in rund zehn Prozent aller Fälle berechtigt und erfolgreich sind.

 

Die EVP hält dafür, dass es von jenen bürgerlichen Politikern und Heisssporn ehrlicher und transparenter wäre, wenn sie dazu stehen würden, dass wie weniger Umweltqualität, weniger Nachhaltigkeit, weniger Rücksichtnahme auf Umwelt und Natur wollen. Sie hätten dann konsequenterweise nicht die Mittel zur Durchsetzung eines bestehenden Gesetzes und damit den korrekten Rechtsvollzug zu schwächen, sondern das Umweltgesetz so zu ändern, dass dieses nur noch einen wesentlich tieferen Umweltstandart verlangen würde. Da aber würde das Volk nicht mitmachen. Und deshalb wird jetzt schlitzohrig über eine Schwächung des Vollzugs das gleiche Ziel angestrebt.

 

Die EVP erwartet vom Nationalrat, dass dieser die notwendigen Korrekturen anbringen wird. Sollte auch hier eine rechtsbürgerliche, antioekologische Mehrheit den Kopf verlieren, würde die EVP alles daran setzen, dass das Volk das letzte Wort sprechen könnte.

 

Zürich, 7. Oktober 2005/rae